Was bedeutet rückwirkende Krankschreibung?
Eine rückwirkende Krankschreibung liegt vor, wenn ein Arzt eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AU) nicht ab dem Untersuchungstag, sondern für einen bereits vergangenen Zeitraum ausstellt. Dies kann relevant werden, wenn Arbeitnehmer:innen nicht sofort zum Arzt gehen konnten, z. B. wegen Terminproblemen, Feiertagen oder weil sich eine Krankheit erst verzögert als ernsthaft herausgestellt hat.
Gesetzliche Regelung
Die rechtlichen Grundlagen finden sich in der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA):
- Eine rückwirkende Krankschreibung ist maximal für drei Kalendertage vor dem Arztbesuch zulässig.
- Ärzt:innen dürfen sie nur ausstellen, wenn aus medizinischer Sicht eindeutig feststeht, dass die Arbeitsunfähigkeit bereits in diesem Zeitraum bestand.
- Längere Rückdatierungen sind nur in seltenen Ausnahmefällen möglich (z. B. Krankenhausaufenthalt, Quarantäne), müssen aber besonders begründet werden.
Beispiel: Arztbesuch am Donnerstag → rückwirkende AU frühestens ab Montag möglich.
Pflichten der Arbeitnehmer:innen
- Unverzügliche Krankmeldung beim Arbeitgeber, auch wenn der Arzttermin erst später stattfindet.
- Vorlagefrist: In vielen Arbeitsverträgen oder Tarifverträgen muss die AU spätestens am 4. Kalendertag vorliegen, teils früher.
- E-AU-Verfahren: Seit 2023 wird die AU digital von der Arztpraxis an die Krankenkasse und von dort an den Arbeitgeber übermittelt – auch rückwirkende Bescheinigungen sind so technisch möglich.
Auswirkungen auf die Lohnabrechnung
- Entgeltfortzahlung
- Anspruch auf Entgeltfortzahlung besteht ab dem ersten Tag der ärztlich festgestellten Arbeitsunfähigkeit, auch bei Rückdatierung, sofern die AU gültig ist und die Meldefristen eingehalten wurden.
- Der Zeitraum der rückwirkenden AU wird bei den 6-Wochen-Fristen für die Entgeltfortzahlung berücksichtigt.
- Krankengeld
- Bei längerer Krankheit gilt: Erst nach Ablauf der Entgeltfortzahlung zahlt die Krankenkasse Krankengeld. Eine rückwirkende AU kann den Beginn der Krankengeldzahlung nach vorne verschieben.
- Lohnabrechnungs-Praxis
- Im Lohnsystem wird der gesamte Zeitraum der AU (inklusive rückwirkender Tage) als Abwesenheit „krank mit Lohnfortzahlung“ erfasst.
- Bei verspäteter Vorlage kann es zu vorläufigen Abzügen kommen, die nachträglich korrigiert werden müssen.
- Bei Überschneidung mit Urlaubstagen werden diese in der Regel wieder gutgeschrieben, sofern die AU anerkannt ist.
Wann Arbeitgeber misstrauisch werden dürfen
- Häufige rückwirkende AUs direkt vor oder nach dem Wochenende oder Urlaub können Zweifel wecken.
- Arbeitgeber dürfen die Arbeitsunfähigkeit jedoch nur in Ausnahmefällen anzweifeln, z. B. durch Einschaltung des Medizinischen Dienstes (MD).
Fazit
Ja, eine rückwirkende Krankschreibung ist in Deutschland bis zu drei Tage rückwirkend möglich, wenn ein Arzt dies medizinisch bestätigt. Für die Lohnabrechnung gilt: Der gesamte AU-Zeitraum wird wie eine normale Krankschreibung behandelt, mit Entgeltfortzahlungspflicht und ggf. Anpassung von Urlaubstagen. Arbeitgeber sollten jedoch auf fristgerechte Krankmeldungen achten, um unnötige Korrekturen in der Payroll zu vermeiden.