Die Arbeitszeiterfassung in Deutschland nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs

Die erlaubte Arbeitszeit für Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland ist gesetzlich vorgeschrieben. Somit sollen Beschäftigte geschützt und gewährleistet werden, dass eine gerechte Bezahlung erfolgt. Die Regelungen zur Arbeitszeiterfassung sind häufig unklar. Wir geben Ihnen in diesem Text einen Überblick der gesetzlichen Lage zur Zeiterfassung in Deutschland und zeigen Ihnen, was nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshof zu erwarten ist. Des Weiteren erfahren Sie, wie Sie die Erfassung der Arbeitszeit dazu nutzen können, um Ihr Unternehmen effizienter zu gestalten. 

Die erlaubte Arbeitszeit für Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland ist gesetzlich vorgeschrieben. Somit sollen Beschäftigte geschützt und gewährleistet werden, dass eine gerechte Bezahlung erfolgt. Die Regelungen zur Arbeitszeiterfassung sind häufig unklar.

Wie ist die gesetzliche Lage in Deutschland?

Die rechtliche Grundlage zur Arbeitszeiterfassung in Deutschland ist das Arbeitszeitgesetz (ArbZG). Dort finden sich unter anderem Regelungen zur Höchstarbeitszeit, zur Nacht- und Schichtarbeit sowie zu Ruhepausen. Demnach darf die werktägliche Arbeitszeit der Beschäftigten nicht länger als acht Stunden andauern. 

Wann ist die Arbeitszeiterfassung Pflicht?

Das Arbeitszeitgesetz in Deutschland regelt zunächst drei Fälle, in denen eine Arbeitszeiterfassung Pflicht ist.

  1. Alle Überstunden müssen aufgezeichnet werden. 
  2. Das Arbeiten an Sonn- und Feiertagen muss ebenfalls zeitlich erfasst werden. 
  3. Kraftfahrende müssen immer ihre komplette Arbeitszeit erfassen. Dafür eignet sich ein Fahrtenbuch, in dem Beginn, Pausen, Ende und Ruhezeiten zwischen einzelnen Fahrten eingetragen werden. 

In jedem Fall müssen die aufgezeichneten Arbeitszeiten mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden. Ein Verstoß gegen diese Aufbewahrungsfrist stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und kann mit bis zu 15.000 Euro geahndet werden. 

Dokumentationspflicht in bestimmten Branchen 

Seit dem 01. Januar beträgt der Mindestlohn 9,35 Euro und im Laufe des Jahres 2021 soll er auf 9,60 Euro ansteigen. Um sicherstellen zu können, dass tatsächlich jede geleistete Arbeitsstunde bezahlt wurde, muss die Arbeitszeit nach dem Mindestlohngesetz bei geringfügig Beschäftigten aufgezeichnet werden. Ausgenommen sind hierbei Minijobber:innen im privaten Bereich. Zudem sind im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz bestimmte Branchen dazu angehalten, die Arbeitszeiten aufzuzeichnen, da hier eine besondere Missbrauchsgefahr besteht. Dies sind zum Beispiel das Gaststätten- und Beherbergungsgewerbe, die Bau- und die Fleischwirtschaft und Gebäudereinigungsbetriebe. Hierfür stellt das Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BAMS) einen Musterbogen zur Verfügung, mit dem die Arbeitszeiten erfasst werden können. 

Welche Ausnahmen gelten bei der Arbeitszeiterfassung?

Zunächst sind die sogenannten Dienste der höheren Art von den Regelungen zur Aufzeichnung der Arbeitsstunden ausgenommen. Dies sind leitende Angestellte, Chefärzte:innen und Politiker:innen. Außerdem entfällt die Dokumentationspflicht im Sinne des Mindestlohngesetzes für Beschäftigte, denen nachweislich mehr als 2.000 Euro brutto pro Monat in den letzten 12 Monaten gezahlt wurde. Saisonarbeiter:innen sind allerdings bis zu einer Höhe von 2.985 Euro brutto ihre geleisteten Arbeitsstunden aufzuzeichnen. Besonders in den Hauptzeiten werden so viele Überstunden geleistet, dass dieser Betrag mit dem Mindestlohn oft erreicht wird. 

Beschäftigte, deren Bruttojahreseinkommen höher als 76.200 (West) und 68.400 (Ost) ist, sind ebenfalls von der Arbeitszeiterfassung ausgenommen. Denn hier geht der Gesetzgeber davon aus, dass die Regelarbeitszeit in jedem Fall überschritten wird, aber die Höhe des Einkommens dies ausreichend kompensiert. 

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes

Im Mai 2019 entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH), dass die EU-Mitgliedstaaten Arbeitgeber:innen dazu verpflichten müssen, ein objektives, verlässliches und zugängliches System zur Erfassung der Arbeitszeit einzurichten. Denn nur so ließe sich überprüfen, ob die vorgeschriebenen Arbeits- und Ruhezeiten in den Unternehmen tatsächlich eingehalten werden. Die Bundesregierung bereitet momentan ein entsprechendes Gesetz vor, mit welchem das EuGH-Urteil hierzulande umgesetzt werden soll. Bis ein fertiger Entwurf vorliegt, kann es jedoch noch etwas dauern. Denn das Arbeitsministerium führt zurzeit Gespräche mit Gewerkschaften und Arbeitgeberverbänden, um eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden. 

Wie muss die Arbeitszeit aufgezeichnet werden?

Das Arbeitszeitgesetz gibt keine besondere Form der Arbeitszeiterfassung vor. Entscheidend ist, dass Kontrollbehörden die Aufzeichnungen überprüfen können. Solange dies möglich ist, können Arbeitgeber:innen die Methode wählen, die am besten zum Unternehmen und den Beschäftigten passt. Wenn die Arbeitszeit durch die Mitarbeiter:innen selbst erfasst wird, ist es wichtig, dass die Regelungen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden. Daher ist es in diesem Fall empfehlenswert, dass die Aufzeichnungen regelmäßig durch die Vorgesetzten stichprobenartig kontrolliert werden. 

Transparenz und Schutz der Mitarbeiterdaten

Die Aufzeichnung der Arbeitszeit soll nicht dazu dienen, die Mitarbeiter:innen zu überwachen. Vielmehr können somit alle Beteiligten zentral und zuverlässig eingesehen werden, ob die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit erbracht und entsprechend kompensiert wurde. Dabei ist es wichtig, dass die Beschäftigten vorab darüber informiert werden, dass eine Zeiterfassung stattfindet und wie diese durchgeführt wird. Weiterhin sollte es eine Person im Unternehmen geben, die bei Fragen und Problemen weiterhelfen kann. Denn auf die aufgezeichneten Daten haben in der Regel die Arbeitgeber:in, der bzw. die jeweilige Mitarbeiter:in, die Personalabteilung und gegebenenfalls die Kontrollbehörde Zugriff. 

Arbeitszeiten auswerten und Vorteile nutzen

Die umfassende Erfassung der Arbeitszeit wird voraussichtlich bald Pflicht für alle Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland werden. Auf diesem Weg sollen Arbeitnehmer:innen geschützt und eine gerechte Bezahlung gewährleistet werden. Die Arbeitgeberseite kann diesen Prozess dafür nutzen, Arbeitsabläufe im Unternehmen effizienter zu gestalten. Davon profitieren am Ende wieder die Mitarbeiter:innen, die zielgerichteter arbeiten können. 

Kolleginnen Whiteboard Zusammenarbeit



Zurück zur Blog Startseite